Klassiker
Untergegangene Welt
Die
Nazis haben die jüdische Kultur in Osteuropa unwiederbringlich vernichtet.
Was bleibt sind Erinnerungen und vor allem Bücher. Wer Bruno Schulz’
Erzählungen, die jetzt unter dem Titel «Die Zimtläden«
neu im «dtv» erscheinen, zur Hand nimmt, taucht ein in eine
untergegangene Welt, voller Farben, und Gerüche. Schulz gelingen phantastische
Erzählungen, ironische Portraits und vor allem wunderbare Kindheitserinnerungen.
Es ist eine schlafwandelnde, nächtliche Welt, in der Bruno Schulz
mit visionärer Kraft und groteskem Humor ahnungsvoll einer verborgenen
Katastrophe entgegen erzählt. Ab und zu wenn eine der Geschichte immer
stiller wird, meint man die Tritte der Gestapo zu hören, die Schulz
1942 auf offener Strasse im Warschauer Ghetto erschossen haben. Ein Buch
für den kommenden langen Winter.
Bruno Schulz, Die Zimtläden, dtv, 384 Seiten, 23.--
sFr.
Sport und Literatur
Leibesübungen
Olympia
total in diesen Tagen. Wer weiss aber, dass von 1912 bis 1948 auch Medaillen
für Gedichte vergeben wurden? Wer erfahren will, wie damals in dieser
Sparte zwar nicht gedopt, wohl aber kräftig bestochen wurde, beschafft
sich das neue Heft der Zeitschrift «entwürfe». Schon Marcel
Reich-Ranicki stellte 1964 fest, dass Sport und Literatur «nahe Verwandte
sind, die sich zu sehr ähneln, um sich aufrichtig lieben zu können.»
Bekennende Fussballfans wie Wolfgang Bortlik versuchen aber dennoch Annäherungen
(die Dürrenmatt-Figuren Bärlach und Matthäi versuchen den
«FC Bratwurst» f[für Nichtschweizer:
Der Wahlbasler Bortlik meint damit den aktuellen Schweizer Meisten, den
FC St. Gallen] zu bodigen...) und Stefan Beuyse beschreibt die existentielle
Angst davor im Schulsport, wenn die Klassenbesten die Mannschaften zusammenstellten,
der letzte zu sein, der auf der Bank übrigbleibt. Übrigens: einige
zusätzliche Fans (also Abonnenten) könnten den «Entwürfen»
nicht schaden. Schliesslich will ich auf die nächsten Ausgaben mit
den Themen Post und Filz nicht verzichten. Also ad säck!
Entwürfe,
Zeitschrift für Literatur, Heft 23, 160 Seiten, sFr. 19.--, Entwürfe,
Reichenbachstr. 122, 3004 Bern |