Neuer Roman
Grosses Gelächter
Geschichten
von gescheiterten Lehrern haben in der Schweizer Literatur eine lange Tradition.
Hermann Burger in «Schilten» und Adolf Muschg in «Albissers
Grund» zeigten, wie die Ansprüche von gesellschaftlicher und
persönlicher Befreiung nach 68 an der Wirklichkeit scheiterten. Der
Lehrer Leer, die Hauptfigur in Daniel Sebastian Saladins erstem Roman «Getötet
wird keiner» hat diese Kämpfe und Desillusionierungen bereits
hinter sich. Was wir zu lesen bekommen sind nur Bruchstücke, Mutmassungen,
Erklärungen, denen man besser misstraut. Bringt ihn die vergebliche
und gefährliche Liebe zu seiner Schülerin Maria, der er nach
Italien folgt, zu Fall? Und was hat es mit diesem Mord an zwei Knaben auf
sich, an dem Leer beteiligt sein soll? Leer sieht sich als Opfer einer
Verwechslung, flüchtet sich zu seinem einzigen Freund, dem depressiven
Schriftsteller Ferrer, mit dem er, nachdem auch eine Psychotherapie nicht
hilft, nach Indien aufbricht. Was das Buch bei aller Zerbrochenheit zusammenhält,
ist Saladins Sinn für Wortwitz und Absurditäten. Wunderbar die
Satire auf den brummenden Bauch der Psychoanalytikerin Charkeminski und
die Landschaftsbeschreibungen der wanderungsgeschädigten und landschaftshassenden
Ferrer und Leer…So ist das Buch ein grosses Gelächter über die
Sinnlosigkeit der Welt geworden.
Daniel Sebastian Saladin, Getötet
wird keiner. Roman, Rotpunktverlag Zürich 1999, gebunden, 182 Seiten,
sFr. 32
Schwule Shortstories
Liebe und Gewalt
Martin
Frank schreibt wieder. Nach dem Erfolg der Verfilmung des Mundartromans
«ter fögi ische souhung» und fünfzehn Jahre nach
dem letzten Roman «La Mort de Chevrolet» gibt es nun sechs
schwule Liebesgeschichten auf Hochdeutsch zu entdecken. Coming-out-stories
oder AIDS, Themen, die zu einer Flut von schwulen Filmen und Büchern
geführt haben, interessieren Frank nicht. Er lotet lieber Einsamkeiten
aus und führt seine Figuren zusammen, um zu sehen, ob Liebe noch möglich
ist. Unter die Haut geht vor allem die längere Geschichte des rumänisch-ungarischen
Zigeunerjungen Putla, der in einem Film über sein Leben als sexuell
ausgebeutetes Heimkind reüssiert, der sich aber gleich in neuen Abhängigkeiten
findet. Sex – und v.a. sexuelle Gewalt – ist die einzige Sprache, die er
versteht und auch damit auch der Preis, den er zahlt, um nicht zurück
ins Heim geschickt zu werden. Unfähig zu Gefühlen, ausser seine
Liebe zur Geige und zur Musik, trifft er auf den älteren Ich-Erzähler,
der ihn aushält und liebt. Der Autor verzichtet dabei auf moralische
Empörung, die Traurigkeit dieser Beziehung zu einem Jungen, der sich
wie ein Werkzeug gebrauchen lässt, wird so um so stärker zum
Ausdruck gebracht. Ob man ans Happy End dieser Geschichte glauben will
oder nicht, ist, denke ich den Lesenden überlassen.
Martin Frank, Sechs Liebesgeschichten,
tini-Verlag Zürich 1999, gebunden, 165 Seiten, sFr. 38.80
|