Poppy Z. Brite, Wo das Böse erwacht (Im Original «Drawing Blood»), 440 Seiten Bastei Lübbe, 9.80. 
 
Ein Link :
The Altar 
of Poppy Z. Brite

 
 
 
 
 
 
 
 

 

Underground

Haus des Schreckens
Blut und Horror, ein verfluchtes Haus in einem Roman über Comiczeichner und Computerhacker, das ganze garniert mit viel (schwulem) Sex. Das hört sich an, wie der Beschrieb eines typischen Buches aus der Schmuddelecke. Und gefunden hab’ ich es ja tatsächlich in der Ramschkiste an der Migroskasse. Doch dann erinnert man sich an die ersten Stephen King Bücher, die ebenfalls im Bastei-Lübbe Verlag erschienen sind und an einige Kurzgeschichten einer gewissen Poppy Z. Brite in einem kleinen Penguin-Bändchen, und schon greift die Hand zu. Blut und Sperma flossen schon in den shortstories reichlich – in Zeiten von AIDS ist diese Kombination ein besonderer Tabubruch – und auch in «Drawing Blood» stehen zwei Jungs im Mittelpunkt, die scheinbar nichts mehr zu verlieren haben. Trevor McGee, der im Alter von fünf Jahren eines Morgens seine Mutter und seinen kleinen Bruder bestialisch ermordet aufgefunden hat, kommt vom Mörder, seinem Vater auch zwanzig Jahre nach der grausamen Tat nicht los. Es zieht Trevor in das Haus des Verbrechens zurück. Zuerst scheint nur die Phantasie mit ihm ein böses Spiel zu spielen, doch dann wird offenbar, dass der alkoholsüchtige gescheiterte Comiczeichner Robert McGee auch nach seinem Tod noch sein Unwesen treibt. Plötzlich liegt die Tatwaffe, ein blutiger Hammer in Trevors Hand. 
 Das alles wäre halb so schlimm, wenn in der Zwischenzeit nicht auch der von der Polizei gejagte Computerhacker Zach – in den guten alten frühen 90ern ausgerüstet mit einem Amiga mit IBM-Card und einer Mac-Emulation! – in Missing Mile, North Carolina, auftaucht. Der Zyniker, der seine LiebhaberInnen wie Papiertaschentücher verbraucht wird von Trevor mit dem Hammer in der Hand empfangen, kann diesen mit viel Glück von den Mordabsichten abbringen und beruhigen... und die beiden verlieben sich. So bescheuert sich der Plot anhört, Poppy Z. Brite gelingt es, die Geschichte glaubhaft zu erzählen, die holprige Übersetzung des schlampig aufgemachten Buches – im Klappentext heisst es Robert McGee habe sich erschossen, dabei hat er sich erhängt – das alles kann dem Lesekitzel nicht schaden. Die schwüle, warme Atmosphäre der amerikanischen Westcoast mit ihren vielen schrägen Figuren, die Welt der Hacker und die tödliche Vermischung von Kunst und Leben in der besessenen Welt des Comiczeichner McGee, in dessen Fussstapfen Trevor tritt, lassen einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Poppy Z. Brite schreib ihre Bücher angeblich in langen Anfällen von Besessenheit. Beim Lesen in solche Obsessionen verfallen – das Buch ist stellenweise verdammt sexy! –, den Rücken des Bastei-Taschenbuch mit lautem Krachen knicken, und eine Nacht bei Kerzenschein durchmachen, das tut ab und zu gut. Sichert Euch noch die letzten Exemplare oder kauft die amerikanische Originalausgabe.
 
Felix Epper
 
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