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Ich mag betrunkene Frauen, sage ich hinaus in die sternenklare
Nacht und setze mich dann wieder an meinen angestammten Platz.
Es ist der 30. Dezember, drei Uhr nachts; für unsereins
wechselt der Kalendertag nie mitten im Fest! Darum bleibe
ich auch Neujahrsfeiern fern. Ich blicke nach links. Sie sitzt
noch da. Ich mag betrunkene Frauen, sage ich in der Nacht
auf den 31. Dezember. Ich selbst bin nie genug betrunken,
um mir nicht albern auf der Tanzfläche vorzukommen; ich
bewundere die Freiheit von betrunkenen Frauen während
ich am Sauvignon blanc rieche. (Es ist mein fünftes Glas
heute Abend.) Eine schöne Traubennase hat der Sauvignon
blanc, und ich kann nicht nur dazu viele schöne Worte
sagen; aber Frauen mit Alkohol im Blut haben Charme, Frauen
mit Alkohol im Blut haben Schamlippen, die bei jeder Bewegung
zart ineinanderfallen, sich öffnen und sich dann wieder
schmiegen in steter Erwartung. Ich mag betrunkene Frauen,
sage ich. Meine Liebe, Sie sollten nicht mehr zu viel gehen,
sage ich ihr ganz galant (sie war getorkelt vom kleinen Tanzsaal
an die Bar). Natürlich durfte ich ihr einen Vodka Lemon
bestellen; betrunkene Frauen gehören ganz und gar ins
von mir so geliebte frühe 20. Jahrhundert. Ich stürbe,
würde sie sich mit einer Federboa den Hals schmücken
und mit einem Bernsteinmundstück die Zigarette phallisch
verlängern. Aber schon die Eleganz, mit der sie ihre
Chesterfield mild raucht! Betrunkene Männer kriegen ihn
nicht mehr hoch, sage ich und ihr Bein liegt an meinem Oberschenkel.
Betrunkene Frauen brächten gar keinen Mann mehr; sie
tun es aus einem Gefühl der Erfülltheit, die Gnade
wird; alles ist mit Blut gefüllt, pulsiert. You Are Graceful,
sage ich. Kennen Sie Leonard Cohens trunkenen Song Don't
Go Home with Your Hard-On? Bob Dylan singt dort mit
im Chor, es ist zum Weinen. Sie hatte sich heute Nacht beim
Tanzen jedem Mann an den Hals geworfen, ihre Freundinnen brachten
Biernachschub; sie wandelte wundersam Bier in Schweiss und
Eleganz; ich habe mich an die jungen Frauen gewöhnt,
die Bier trinken, ich habe ihre Münder an den Flaschen
immer gemocht; es war rauh, roch nach Schweiss in Umkleidkabinen,
aber auch nach Tattoos und Rockerbräuten. Backstage bei
Mötörhead; natürlich hat Lennie den Längsten,
Dicksten, sagen die Rockerbräute und dann saugen sie
wieder an den dünnen Flaschenhälsen. Selbstredend
haben diese Rockerbräute Pickel; noch schlimmer: ich
stelle mir vor, wie sie auf Lennies Rücken sitzen, nach
vorne gebeugt - die Brüste sind klein und fest genug,
dass sie auch in dieser Lage noch spitz aufstehen. Wie sie
Daumen und Zeigefinger sicher handhaben und Lennies prall
gefüllte Eiterbeule aufplatzen lassen! Aber warum erzähle
ich Ihnen das? Trinken Sie noch einen Vodka Lemon; ich würde
Ihnen natürlich ein Glas Sauvignon blanc empfehlen, riechen
Sie wenigstens ein Mal daran. Ich will wissen, wie nass Sie
sind, betrunkene, schöne Frau; rauchen Sie, rauchen Sie
ruhig zwischen den Küssen, oder legen Sie sich mit dem
Bernstein im Mund auf die harte Matratze und lassen mich fühlen,
wie Ihre Schamlippen weich und hart zugleich sind; ganz gespannt
und überfliessend; lassen Sie Ihr Bein ruhig hier, mein
Begehren soll ganz in Ihren Händen sein; von kleinen
Tanzsaal ertönt das vorletzte Lied des Abends, ich kenne
ihn gut genug, meinen DJ. Wie immer ist es Lady Jane
der Stones; gleich wird sich die Bar wieder füllen, Ihre
Freunde werden kommen, uns zwei aneinandergepresst finden;
entschuldigend werde ich sagen: Ich mag betrunkene Frauen,
tragen Sie Sorge zu Jane, lassen Sie uns noch zwei Chesterfield
rauchen, bevor ihr alle nach Hause gehen werdet. Doch noch
kommt keiner zu uns, der Barkeeper ruft die letzte Runde aus.
Es ist ein Wunder, nun stehen zwei Glas Sauvignon blanc vor
uns; sie legt einen Hotelschlüssel auf die Bar: Let's
See If We Are That Strong , sagt sie, es sind ihre ersten
Worte heute Nacht. Ich schweige. Endlich trinken wir zusammen,
sage ich und: Warten Sie! Auch auf kommende Ereignisse! Ich
bestelle noch zwei Glas. Mein Freund ist tot, wird sie sagen;
mein Job ist dahin wird sie sagen; j'en ai marre; ich habe
ihn verlassen; er schlägt mich; ich liebe das Abenteuer;
sie lallt ein wenig, weiss nicht wohin mit den Lippen, Schlieren
auf dem Weinglas, dabei glaubte ich, sie sei eine der Frauen,
deren Lippenstift nie verwischt, ausser im wilden Taumel;
oh my Lady Jane, you're too drunk to speak
I'm silly
and weak und alles fliesst in einem Meer von Tränen den
Bach runter
doch das letzte Lied ist tatsächlich
Mötörheads The Ace Of Spades, wie kann
mein Freund DJ alias glauben, damit durchzukommen?
Komm tanzen, sage ich, sagt sie, einer plötzlichen Lust
gehorchend; ich fasse ihre Taille, hebe sie fast auf; ein
Elfenkörper, nur noch Geist. Picasso hat diesen Mund
gemalt in aller schönen Hässlichkeit! Ich küsse
ihn, den Mund. Lippen und Zungen und ein Hauch Sauvignon blanc.
Im Unterleib die Säfte. Meine Elfe und ich, wir wären
das ideale Paar, wir tanzten bis der Morgen graut, Bein an
Bein, Hüfte an Hüfte. So gracious! Wenn da nicht
die Kratzspuren meiner Klauen und Krallen wären im Parkett.
Verzeih' my Sweet Lady Jane, Zigarettenstummel und Bierlachen
vermögen sie nicht ganz zu kaschieren diese tiefen Kerben.
Und so, ehe der letzte Ton verebbte, sanken wir hin.
***
, geschrieben Januar 2006