Es lag etwas neues in der Luft. Als sie an diesem
Morgen aufgewacht war und sich in dem Zimmer umsah, hatte sie es
gespürt. Die Geräusche waren irgendwie gedämpft und das
Licht war – golden. Ja, dies war wohl das passende Wort. Mutter
würde bestimmt wissen, was los war, aber sie schlief noch, ebenso
wie die Geschwister. Ob Mutter wohl ärgerlich wäre
wenn sie sie aufweckte? Wahrscheinlich. In den letzten Tagen war sie etwas
brummig gewesen, vielleicht hatte auch sie die Veränderung gespürt.
Der
Mann war gestern gekommen und hatte sie durch das Fenster beobachtet.
Sein Blick hatte ihr irgendwie Angst gemacht. Obwohl sie den Mann
schon ihr ganzes Leben lang kannte, war er ihr an jenem Tag unheimlich
vorgekommen.
Möglicherweise kam die eigenartige Stimmung, die an diesem Morgen
herrschte auch davon, dass draussen alles weiss geworden war. Die Landschaft
war überzogen von einem zarten, kristallenen Teppich. Eigentlich fand
sie ihn schön, die Welt war wie verzaubert. Die Kinder hatten,
in dicke Kleider gehüllt, eine komische Schlange in die Tanne vor
dem
Haus gehängt. Natürlich keine richtige Schlange, nur etwas,
was so aussah, und als es an jenem Abend dunkel geworden war, hatte der
Baum plötzlich geleuchtet. Ja, es war etwas im Gange, aber sie wusste
nicht genau, ob es etwas schönes oder schreckliches war. Der Blick
des
Mannes gefiel ihr nicht.
Mit einem Seufzer drehte sich die Mutter, öffnete kurz die
Augen und schlummerte dann weiter. Selbst die Frau war nicht wie
immer. Sie schien aufgeregt. Manchmal hatte sie am Nachmittag laut mit
den
Kindern geschimpft, während sie kurz darauf wieder fröhlich
vor sich hin summte. Die letzten Wochen hatte der Wind gelegentlich einen
süssen, verführerischen Duft von dem Haus herüber
geweht. Einen neuen Geruch, der sie neugierig gemacht hatte. Was war es
wohl, das so verführerisch roch? Mutter hatte es ihr nicht
sagen können, ja sie hatte fast geglaubt, dass Mutter ihr böse
war weil sie gefragt hatte. Mutter mochte keine Fragen über
das
Haus, den Mann, die Frau und die Kinder.
Die Türe knarrte leise. War das der Wind gewesen oder kam jemand.
Sie mochte Besuch, vor allem wenn die Kinder kamen oder die Frau,
manchmal mochte sie auch den Mann, aber jetzt hoffte sie, er wäre
es nicht, denn sie hatte den Ausdruck in seinen Augen noch nicht vergessen.
Schwere Schritte näherten sich, machten kurz vor ihrem Zimmer
halt und gingen dann weiter. Kurz darauf hörte sie etwas. Es war ein
unangenehmes Geräusch, ihre Nackenhaare richteten sich auf. Ein Rauschen
oder Schaben, das in steter Regelmässigkeit ging und kam, ging und
kam. Vielleicht sollte sie doch die Mutter wecken, wenigstens wäre
sie dann nicht mehr so allein. Sie war bereits aufgestanden um zur Mutter
zu gehen als das Geräusch so plötzlich aufhörte wie es begonnen
hatte. Erleichtert legte sie sich wieder hin. Dann kamen die Schritte zurück,
machten erneut Halt vor dem Zimmer. Aber diesmal gingen sie nicht
weiter, die Türe wurde langsam geöffnet und da stand der Mann.
In seiner Hand hielt er einen langen, glänzenden Gegenstand, der ihr
irgendwie Unbehagen bereitete. Der Mann sah sich um, entdeckte,
dass sie wach war und kam auf sie zu. Er murmelte etwas, doch sie verstand
ihn nicht. Mutter würde ihn verstehen, würde sie beschützen,
aber sie schlief noch immer. Nun hatte sie sich bis an die Wand zurückgezogen,
quiekte kurz auf, doch der Mann hatte sie bereits gepackt und schleppte
sie aus dem Zimmer. Sie sah noch, wie er mit dem länglichen
Ding ausholte. Dann schlitze er ihr die Kehle auf.
Nachdem das Spanferkel gegessen und die Weihnachtslieder gesungen waren
durften die Kinder endlich ihre Geschenke auspacken.
Diese Geschichte wurde im Dezember
2000 mit dem sechsten Platz im Weihnachtsgeschichten-Wettbewerb der Zeitschrift
«Toaster» ausgezeichnet. |