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Sennechutelli, Shit u. Wisswii
Ein hoffnungsvoller Schweizer Jungautor
wird eingeladen, die 50. Frankfurter Buchmesse durch seine
Lesung zu bereichern. Doch was sich abspielt, ist etwas anders als erwartet.
Ich dachte, es wär 'ne gute Sache, der freundlichen Einladung meines
Verlages zu folgen, mein Buch unter den Arm zu klemmen, in den Zug zu steigen
und zur Buchmesse nach Frankfurt zu fahren.
«Ich bin auch so ein Autor», raune ich meinem Sitznachbarn
zu, verschwinde aber bald darauf aufs Klo, um meine Hustenmittel vor den
Zöllnern und Bullen in Sicherheit zu bringen. Die Grenze ist nah,
und wegen ein paar Tüten Shit hängenbleiben und den angekündigten
Auftritt am Gemeinschaftsstand des Buchverleger-Verbandes zu verpassen,
das ist nicht mein Ding. Auf dem Klo gehe ich dann doch auf Nummer Sicher
und rauche einen ansehnlichen Teil meiner Vorräte. Als ich in mein
Abteil zurückkomme, bin ich ziemlich breit. Halbe-Halbe is n' fairer
Deal, sage ich mir hochdeutsch. Genug für mich – genug für die
Drogenbeschlagnahmungsstatistik. Die Dosis sollte bis heut' Abend reichen
und noch kann ich Wörter wie Drogenbeschlagnahmungsstatistik fehlerfrei
denken. « Du, gosch au uff Frankfurt?» frage ich meinen Nachbarn,
der auf Swiss-EthnoLook macht. Ich scheine mitten im Rahmenprogramm-Zug
gelandet zu sein. Ich erhalte keine Antwort, dafür ordert der Typ
im Chutteli an der Minibar eine Flasche Weissen. Polytox ... , Polytoxoman,
– auf jeden Fall: Drogen mischen tut selten gut, denkt es, aber Zunge,
Mund und der ganze Rest bestellen auch Weissen. «Proscht!»
sag' ich und erhebe mein Glas. «Isch das Rahmeprogramm, wo du dra
teilnimmsch i de Halle Siebe? Die söll doch ziemlich nüechter
sii? » – « Nüechter, d' Halle Siebe? Bisch bsoffe? »
Man hält mich wohl für einen totalen Idioten. Klar, ich habe
noch nicht einmal ein ganzes eigenes Buch publiziert, aber fast, und von
der Halle Sieben im wunderbaren DDR-Design gibt's doch Fotos, die ich gesehen
habe ... Ich überlass meinem trachternen Nachbarn die Flasche Weissen,
«weck mi, wenn mer z' Frankfurt sind!», und schon schlaf ich.
Fahrkarte und Pass ausgebreitet, dass mich niemand störe in meiner
schöneren Welt ...
Der Chuttelimensch hat sich davongemacht, ohne mich zu wecken, dafür
hat er die Flasche mitgenommen. Ich klaub' meinen Pass aus dem Weissweinsiff.
Verdammt die volkstümlichen Menschenmassen draussen, sind ja nur für
die Animation da. All die Schertenleibs, Rebers, Jennys im schicken Fummel
sind früher gefahren, aber da draussen steht er ja, mein Mittrinker.
«Du wotsch doch i'd Halle siebe und bisch jetzt scho schlapp? »
hör ich ihn noch sagen, und ich klappe wieder weg, merke im Wegdämmern,
wie man sich links und rechts von mir einhakt. «Die junge Lüt,
nünt verträget's nie ... » Ich hab drei Stunden Zeit bis
zu meiner Lesung, hämmert es in mein Hirn. Ihr Lachen ist grausig,
schallt zwischen den Zahnlücken hervor. «Ich muess ein vieri
i dä Halle 4.1 sii ... » Bis dann werden wir noch ein Gläschen
trinken, sagt mir ihr emsiger Schritt.
Die Sonne sticht vom Himmel, ich bin schwer, so schwer, mein Kopf gross,
rund, ich möchte DadaGedichte lallen, Finnegans Wake rezitieren, Glauser
zuhören, wie er seine Haschisch- Experimente vorliest, in dieser heilig-
nüchternen Halle Sieben wandeln, diese schönen Bücher in
neutralen Umschlägen sehen und auf einmal meinen Namen darauf entdecken,
statt dessen bin ich nur noch Nase, rieche Bier, Bätziwasser, Kirsch,
Käseschnitten. «Do, iss die Chässchnitte, Bueb, denn goht's
der wieder besser». Eine Ahnung von Rührung für meine Beschützer
umschmeichelt mich, bis sich wieder der saure Weisswein und der Geruch
von Erbrochenem mischen. Schweizer Küche . ».
«He, junge Maa, scho ein Morge ein halbi elfi, jo frühner
... » Mit diesen letzten Worten kehrt nicht Nüchternheit ein,
aber ein kleiner, sich rasend ausbreitender Gedanke, der zur Erkenntnis
wird. Ich habe durchgeknallt wie ich war – nicht gemerkt, dass ich den
falschen Zug genommen habe, den Eurocity Albert Einstein, statt den ICE
Seppl Herberger. Als GA-Besitzer weist dich kein Kondukteur darauf hin,
dass du auf Abwegen bist. GA-Besitzer sind selbständig. Kurz: Ich
bin nicht in Frankfurt, sondern an der Milch und Landwirtschaftsmesse Olma
in St. Gallen. Ein nicht enden wollender Schrei durchdringt die Degustationshalle
Sieben, Alk-Leichen werden wach und die Kellnerin giesst Biergläser
über leicht gewölbte Männerschritte ... |
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